Wie Werner Wegemut das Lieben lernte !
In einem ganz
verschneiten Park, in dem sich viele Bäume ringen, steht unter einer großen
Tanne auch eine Sitzbank. Noch ist sie leer und es ist die einzige, die nicht
ganz verschneit ist.
Einige Meter entfernt
kommt ein älterer Mann – so Ende fünfzig – mit langsamen und schwerfälligen
Schritten den verschneiten Weg entlang, bis er genau vor dieser Bank zu stehen
kommt. Es scheint als ob er lange überlegen müsste, ob er sich setzen wolle oder
nicht. Dann setzt er sich endlich doch.
Obwohl elegant
gekleidet und mit einem Spazierstock ausgestattet, macht er einen eher
verlorenen Eindruck. Sein Gesicht ist von tiefen Furchen gezeichnet und
spiegelt eine gewisse Bitterkeit wieder. So scheint der Mann mit schweren
Gedanken beschäftigt, die seinen Rücken sehr gebeugt halten.
Es ist schlimm für
ihn, denn er ist schwer geschlagen und die Trübnis seines Herzens ist in einem
tiefen Seelenkampf zu erkennen. Und was alles noch schlimmer macht – es ist Weihnachtsabend
!
Im Grunde besitzt er
alles was er wollte und noch mehr. Und dennoch ist sein Leben unerfüllt und
kalt geblieben.
Er ist so in seine
Gedanken vertieft, daß er gar nicht bemerkt, daß sich noch jemand der Bank
genähert hat. Es ist ebenfalls ein Mann, der sich unbemerkt hinzugesetzt hat.
Beide Männer schweigen.
Ärgerlich und
frustriert, aber auch mit Traurigkeit im Herzen, hackt der gutgekleidete Mann
mit dem Stock auf den verschneiten Boden ein lautes Seufzen dringt aus seinen
schmalen Lippen.
„Ist wohl ein
schwieriges Leben, das sie haben – wollen Sie darüber reden?“ sagt eine sehr
herzliche Stimme.
Jetzt erst bemerkt der
alte Mann, daß er nicht alleine ist. Irgendwie ist er von der Herzlichkeit der
Stimme berührt, obwohl er lieber allein geblieben wäre. Er schaut noch immer
nicht von seinem aufgehackten Boden auf.
„Ist nicht der Rede
Wert!“ entgegnet er, sich um Stärke bemühend, was jedoch eher als Härte
ankommt. Noch immer auf den Boden starrend.
„Ich würde ihnen gerne
helfen! Mein Name ist Pit!“ sagt wiederum der andere Mann und seine Stimme
bekommt etwas ganz Warmes.
Nun ist der alte Herr
doch herausgerissen aus seinen trüben Gedanken und er blickt den anderen
erstaunt an.
„Werner Wegemut!“
stellt er sich knapp vor. Rau ist seine Stimme und Bitterkeit schwingt mit.
Neben sich erblickt er
einen Mann – Mitte vierzig – mit äußerst verschlissenen Hosen und einer völlig
abgetragenen Jacke, die nicht ganz sauber erscheint. Eine Mütze die er tief ins
Gesicht gezogen hat und einen dicken langen Schal.
Mit einem Blick
erkennt er, daß dieser Mensch auf der bedürftigeren Seite des Lebens zu stehen
scheint.
Erwartungsvoll schaut
Pit den Werner an und sagt nochmals: „Schwere Probleme?“ Wieder schaut Werner auf seine Stiefelspitzen
und bohrt mit dem Stock weiter.
„Weihnachten!“ sagt
Werner. „Jedes Jahr das selbe! Erst bis Mittag arbeiten und dann alleine zu
Hause!“ Und Jahr für Jahr sei das alles
nur noch trostloser geworden. Nicht daß es an irgend etwas fehle.
Werner erzählt davon,
daß er ein Großindustrieller sei, der viele Mitarbeiter beschäftige und in
einer großen Villa lebe. Autos und Swimmingpool – alles sei vorhanden ... und
doch ... er sei nicht glücklich. Nichts als Einsamkeit.
Pit schaut ihn
mitfühlend an und nickt ihm zu. Er rückt näher an Werner heran und klopft
verständnisvoll auf seine Schulter.
„Es ist schwer, wenn
man keine liebevolle Familie um sich hat!“ sagt er und nickt wieder. Werner
nickt ebenfalls. „Hatte eben nie Zeit dafür!“
Pit holt eine Tasche
hervor und greift hinein um ein Stück Käse und ein Stück Brot heraus zu ziehen.
„Schon zu Weihnacht gegessen?“ fragt er und bietet Werner auch ein Stück davon
an. „Schön, daß ich heute nicht alleine hier sitzen muß – sonst bin ich immer
allein!“
„Sie sind immer hier?“
fragt Werner erstaunt. „Haben Sie denn kein Zuhause?“
„Nein!“ entgegnet Pit.
Und auf die Frage, wie das denn so schlimm gekommen sei, erzählt er von seinem
Schicksal. Dass er früher als Lehrer gearbeitet und ganz gut verdient habe.
Auch sei er mit einer wunderbaren und auch schönen Frau verheiratet gewesen.
Aber eines Tages habe er von der Polizei einen Anruf erhalten, bei dem ihm
mitgeteilt worden sei, daß seine Frau an einem Autounfall gestorben sei. Er
hatte seine Frau Ruth so geliebt.
Pit schweigt einige
Minuten – Werner schweigt mit. Erschüttert ist er über die Tragik von Pit´s
Lebensgeschichte.
„Daran sind Sie dann
wohl zerbrochen!?“ fragt Werner dann doch.
„Ja, und dann habe ich
auch noch die Arbeit verloren, weil ich zu viel getrunken habe. Und seit einigen
Wochen lebe ich auf der Straße und schlafen lege ich mich meist in der Lagerhalle hinter dem
Parkgelände!“ Davor sitze er aber meist
hier auf gerade dieser Bank, weil die große Tanne mit ihren langen Armen alles
so wunderbar trocken hält. Ja, sogar Geborgenheit vermittle ihm dieser Platz.
Und das sagt er mit
einer Stimme – die trotzdem mit einer inneren Wärme erfüllt ist.
Werner ist
erschüttert. Dagegen kommt er sich wie ein dummer Narr vor. Einer der sich über
den goldenen Käfig beklagt, in dem er in Luxus schwelgt.
„Aber wie kommt es,
daß Sie so aufrecht sind. Sie haben nichts!“ ruft er erstaunt !Und Sie wollen
mir helfen!?“
Ernst aber
bedeutungsvoll antwortet Pit auf diese Frage: „Heute scheint es zwar noch immer
schlimm; und doch hat sich in meinem Leben etwas wesentliches geändert. Ich
hatte nämlich ein wunderbares Erlebnis!“
„Es war wieder mal ein
Tag gewesen an dem ich zu viel getrunken hatte und hier unter diesem Baum
schlief. Zuvor hatte ich wie immer mit Gott und der Welt gehadert. Doch irgendwie
kam mir in den Sinn doch mal mit Gott zu reden und ich betete insgeheim.
>Gott – wenn es Dich wirklich gibt, so hilf mir bitte endlich. Aber ich
glaube das ist vergebliche Liebesmüh Dich zu bitten!< Dann schlief ich ein.“ erzählt Pit und fährt
fort.
„Plötzlich schien ich
einen Traum zu haben. Alles um mich herum war von Liebe umgeben und ein warmes
Licht strahlte mich an. Auch war ein wunderbarer Gesang zu hören. Und plötzlich
stand da ein Engel vor mir. Zwar hatte er keine Flügel wie man meist denkt,
aber ich wusste einfach daß es ein Engel Gottes ist.“
„Pit – sagte er mit
einer starken, aber sehr warmen Stimme. Gott schickt mich zu Dir! Er hat Deine
Klagen wohl gehört und sein Herz hat Dich in Liebe angenommen. Er hat eine Botschaft für Dich!“
„Sei getröstet! Gott
liebt Dich und hat Dich nicht vergessen! Seit er Dich erschaffen hat, bist Du
sein Kind und bist vielfach von ihm und den Seinen geliebt und gesegnet“
„Er sagt Dir: Sei
geduldig, denn ich werde Dir einen senden, der noch ärmer ist als Du – denn
auch er weiß nichts von meiner Liebe! Hilf ihm und Dir ist geholfen!“
„Und dabei
durchströmte mich auf wundersame Weise ein so tiefes Gefühl der Liebe, die
alles in mir verwandelte und in Zuversicht einhüllte. Ich fühlte, daß ich etwas
besonderes für Gott war – wie alle seine Kinder! Und ich fühlte mich durch und
durch geliebt! Dann verblasste die Erscheinung – doch das Gefühl geliebt zu
sein, blieb.“
„Das ist nun einige
Wochen her!“ Pit schweigt nun wieder.
„Gott!“ sagt Werner
„an den glaube ich schon lange nicht mehr! Ich habe mir immer selbst geholfen
und damit ein Vermögen gemacht!“ Einen
Moment herrscht wieder Stille, dann redet er weiter, mit sehr ernstem Ton: Aber
glücklich gemacht hat es mich nicht und heute ist es besonders schlimm!“
Zwischendurch nickt
Pit und lässt Werner weiter reden.
„Was kann ich denn
noch vom Leben erwarten – ich habe alles und doch habe ich nichts! Ich habe
keinen mit dem ich dieses Leben teilen kann. Und was ist das schon für ein
Leben?“ Werner wird klar, daß er am wahren Leben vorbeigelebt hatte.
Pit nickt
verständnisvoll und klopft ihm wiederum sanft auf die Schulter.
„Es fehlt Ihnen die
Liebe! All der Reichtum ist kalt ohne die wärmende Liebe und ohne all das mit
anderen zu teilen!“ Und nachdenklich sagt Pit noch hinzu: „Ich wünschte mir,
der Engel wäre auch Ihnen erschienen und ich könnte das mit Ihnen teilen was er
mir wunderbares brachte!“
Wieder ist der
Industrielle tief berührt von der Herzlichkeit dieses armen Menschen. Und
plötzlich erkennt er, daß in Wahrheit ER der arme ist. Viel ärmer als Pit. Und
er erkennt, daß er ein neues Leben beginnen müsse, in dem die Liebe
vorherrschen muß.
„Haben Sie schon zu
Weihnachten gegessen?“ fragt diesmal Werner, der an sein üppiges Weihnachtsmahl
denkt, das daheim auf ihn wartet. „Und haben Sie die Freundlichkeit eines
meiner Gästezimmer zu benutzen?“
Pit strahlt vor Freude
und nimmt die Hand die ihm gereicht wird dankbar an.
Die beiden stehen auf
und gehen Werners Villa entgegen. Dabei bereden die beiden vieles und Werner
ist plötzlich ganz froh zumute, als er sich entschließt Pit wieder auf die
Beine zu helfen.
Auch hofft er etwas
über Gott zu erfahren und noch mehr lieben zu lernen. Doch den ersten Schritt
hatte er ja schon gemacht.
Die beiden Männer
machten auch später noch viel gemeinsam und wurden die besten Freunde.
So wurde die
Niederkunft Gottes auf Erden auch nach zweitausend Jahren wiederum für zwei
Menschen – zum wahren Fest der LIEBE, der Freude und des Friedens!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen